Wie gestaltet man eine Einführung in die Klassik?

Im aktuellen Fachdidaktik-Modul arbeiten die Studierenden an »Showlektionen«. Den Begriff benutze ich für Lektionen, die so bei Lerneinheiten eigentlich nicht vorkommen, aber bei Lehrproben oder Unterrichtsbesuchen (leider) noch wichtig sind – es handelt sich um Einzellektionen, mit denen eine Lehrperson beweisen muss, dass sie eine gute Lehrperson ist. (Die Qualität einer Lehrperson zeigt sich erst, wenn sie Beziehungen zu Lernenden und Kolleg:innen aufbauen kann und unterhalten muss.)

In Showlektionen braucht es aus meiner Sicht zwei Dinge: Ein Funkeln des Materials und eine Bearbeitung eines fachlichen Kerns oder einer Kernidee. Heute war die Frage, wie man eine Einführung in die Epoche der Klassik gestalten kann, welche einen Kerngedanken so erfassen kann, dass er für die Schüler:innen so funkelt, dass sie davon fasziniert und Lust auf eine Auseinandersetzung damit bekommen.

Im Modul haben wir diese Doppelseite aus Meids »Das Reclam-Buch der deutschen Literatur« als Ausgangspunkt genommen. )Das Buch ist leider vergriffen.)

Darin finden sich verschiedene Kernideen:

  1. Orientierung an Antike vs. Orientierung an Mittelalter
  2. Harmonie und Vorbilder (Klassik) vs. innovative Formen und Subjektivität (Romantik)
  3. die Italienreise Goethes als Beginn einer Epoche
  4. die Freundschaft von Goethe und Schiller
  5. die deutsche Klassik als Konstruktion
  6. die Verspätung der deutschen Klassik im Vergleich mit der anderer Länder
  7. Nachahmung – Stil – Manier
  8. Ist Klassik eine Epoche oder handelt es sich um eine überlegene, zeitüberdauernde Kunstform (vgl. dazu Zumbusch 2019, S. 3f.).
  9. Menschenbilder: Ideale und Realitäten

Diese Ideen funkeln noch nicht. Wir müssen nun nach Material und Zugängen suchen, die das erlauben. Hier ein paar Ideen, wie Schüler:innen eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen anregend finden könnten:

  1. Waren Schiller und Goethe Freunde, Frenemies oder Konkurrenten? 
    Arbeit mit Bildern, Zitaten und Briefausschnitten; evtl. strukturiert rund um das Balladenjahr-Projekt.
  2. Was sind Klassiker und klassische Epochen? 
    Die Schüler:innen suchen auf verschiedenen Gebieten (Musik-Richtungen, Kunst-Richtungen, Film-Genres, Computerspiele etc.) nach klassischen Kunstwerken und erarbeiten so ein Verständnis dieser Epochenbezeichnung.
  3. Glaubte Goethe daran, ein Klassiker zu sein? 
    »Wir sind überzeugt, daß kein deutscher Autor sich selbst für klassisch hält« (Literarischer Sansculottismus von 1795) – »das Klassische ist das Gesunde, das Romantische das Kranke« (Gespräche mit Eckermann).
  4. Wie reiste Goethe durch Italien – und warum war das der Anfang einer Epoche?
    Die Schüler:innen stellen Destinationen von Goethes Reise und seine Berichte dazu vor und versuchen, ein Verständnis für den Epochenbeginn zu erhalten.
  5. Wer braucht eine Klassik? 
    Die Schüler:innen lesen Texte rund um die Frage, ob es sinnvoll ist, von einer deutschen Klassik auszugehen – und führen dann eine Debatte.

Literatur: 

Meid, Volker (2012): Das Reclam-Buch der deutschen Literatur. 3. Auflage. Stuttgart: Reclam. 

Zumbusch, Cornelia (2019): Weimarer Klassik. Eine Einführung. Berlin: Springer.