Belastende Ereignisse im Deutschunterricht thematisieren

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Montagmorgen nach den Attentaten in Paris. Die Schule beginnt pünktlich, der Deutschunterricht auch. Was tun?

Die Frage war Gegenstand einer Diskussion im Fachdidaktik-Seminar. Unter den Studierenden viele, die am 11. September 2001 zur Schule gingen. Ich habe damals unterrichtet. Schulerinnerungen betrafen aber auch andere belastende Ereignisse, die vielleicht nur eine Schule oder eine Klasse betroffen haben.

In der Diskussion stellt sich schnell heraus, dass die Schwierigkeit darin besteht, eine Balance zu finden: Vorbereitung und Steuerung sind ebenso wichtig, wie es gefährlich ist, aus einer Katastrophe Schulstoff zu machen. Das ist der Grund, weshalb viele Lehrkräfte einfach dort weitermachen, wo der Unterricht letzte Woche aufgehört hat. Normalität ist schließlich auch eine Reaktion auf Terror.

Für eine Lektion, die sich dem Zeitgeschehen widmet, bieten sich folgende Möglichkeiten an:

  1. Ein offenes Gespräch, in dem sich die Lehrperson zurücknimmt und allen Raum gibt, Fragen und Reaktionen zu formulieren. 
    Das Risiko besteht dabei darin, dass starke Behauptungen oder Theorien der Diskussion einen Verlauf geben, der nicht wünschenswert ist, indem er z.B. die Klasse verängstigt und verunsichert oder zu einem Streit führt.
  2. Raum für das schriftliche Fixieren von Gedanken, vielleicht angeregt durch Reaktionen wie die von Jan Böhmermann
    Das geht nur, wenn Schreiben als persönliche Reflexion im Unterricht bereits einen Stellenwert hat. Rechnen die Schülerinnen und Schüler damit, die Lehrperson werde alles lesen und korrigieren, dürfte sie das eher hemmen.
  3. Eine thematische Brücke vom Unterrichtsstoff zu den Geschehnissen. 
    Die Verbindung darf nicht forciert werden – nicht jeder Roman oder jedes Theaterstück thematisiert einen terroristischen Anschlag der IS auf kulturelle Anlässe und das freie Leben in Paris. Spricht man aber beispielsweise von Aufklärung, lassen sich sicher Texte finden, deren Diskussion eine Thematisierung der Aktualität erlaubt.

Ich werde heute – es ist schon Dienstag – in einem Block, in dem es um digitale Themen geht, die Verwendung von eingefärbten Profilbildern auf Facebook und das »Safety Check«-Feature diskutieren: Beides auch im Vergleich mit dem Attentat in Beirut. Das aus der Einsicht, dass soziale Netzwerke unseren Umgang mit Katastrophen ganz entscheidend prägen: Sie vermitteln uns Informationen persönlicher und historischer Natur. Wie diese Vermittlung erfolgt, ist eine ganz entscheidende Einsicht.