10 Fachdidaktik-Kurse: Was ich gelernt habe

Heute habe ich meinen 10. Fachdidaktik-Kurs gestartet. Die Studierenden besuchen zwei Module bei mir und absolvieren nach der berufspraktischen Ausbildungsphase ein paar Jahre später auf eine oder mehr Prüfungen bei mir. Ich nutze das kleine Jubiläum um über einige Erkenntnisse nachzudenken, die ich als Dozent gewonnen habe.

  1. Intensive Lernerfahrungen statt Vollständigkeit
    Als ich begonnen habe, war ich überzeugt davon, den Studierenden alles beibringen zu müssen, was sie im Beruf brauchen. Ich bin also selber in die Vollständigkeitsfalle (Lehner) getappt, auf die ich Studierende jeweils aufmerksam mache.
    Mittlerweile ist mir klar, dass es entscheidender ist, dass sie sich mit wichtigen Aspekten intensiv auseinandersetzen, statt möglichst viele Aspekte zu streifen.
  2. Reflektiert ausprobieren statt Konzepte umsetzen
    Was im Unterricht funktioniert, müssen Studierende entdecken, indem sie bestimmte Erfahrungen machen. Die Vorstellung, man könnte mit ihnen so lange an Unterrichtskonzepten feilen, bis sie perfekte Lektionen abhalten, habe ich verloren. Ich reflektiere mit ihnen ihre Vorbereitungen und weise sie auf meine Sichtweisen hin, ich kann aber nicht verhindern, dass sie gerne Lerninhalte aus ihrem Studium mit Schüler:innen besprechen oder Muster nachahmen, die sie in ihrem eigenen Unterricht als Schüler:in positiv wahrgenommen haben. Erst wenn sie merken, wie sich so gestalteter Unterricht anfühlt, sind sie in der Lage, ihre Vorstellungen zu hinterfragen und sich davon zu lösen.
  3. Der Wunsch nach einem Referendariat
    Noviz:innen lernen dann viel, wenn sie mit Klassen längerfristig arbeiten können. Deshalb wünsche ich mir seit einer Weile eine praktische Phase, in der Studierende an Schulen sind, dort auch Geld verdienen, gleichzeitig aber Zeit für erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Begleitung haben. Praktikumsbetreuung und Mentorate zusammen würden eine angemessene Begleitung vor Ort ermöglichen – und auch die arbeitsrechtlich problematische Einstiegsphase in den Beruf der Gymnasiallehrperson auf ein solides Fundament stellen.
  4. Spannung zwischen meiner Praxis und dem, was Anfänger:innen lernen müssen
    Ich unterrichte so, wie ich das nach 20 Jahren Erfahrung für richtig halte. Ich habe den Mut, mich auf Ungrading einzulassen, die im Lehrplan vorgesehen Freiheiten auszunutzen und mich an dem zu orientieren, was ich für richtig halte, statt mich von dem einschränken zu lassen, was jemand erwarten könnte. Dieser Mut ist billiger zu haben, wenn man ein gewisses berufliches Standing hat. Anfänger:innen haben ihn oft nicht, weil sie von der Meinung von Mentor:innen und Schulleitungsmitgliedern abhängig sind, die von bestimmten Annahmen und Erwartungen ausgehen. Ich kann also mit Studierenden nicht an der Vorstellung von Unterricht arbeiten, die ich in meiner Praxis verfolge, sondern muss konservativere Sichtweisen bedienen.
  5. Was Lehrpersonen mitbringen müssen: Kommunikation, Reflexion und Lernbereitschaft
    Gute Lehrpersonen können mit Kindern und Jugendlichen sprechen. Sie sind bereit, ihr Handeln zu reflektieren und zu ändern – und sie lernen fachlich, erziehungswissenschaftlich und fachdidaktisch gern dazu. Diese drei Dinge kann man lernen, aber nicht alle Menschen können sie lernen. Anleitungen gibt es nicht. Wer sich von Jugendlichen schnell verunsichern lässt, sein eigenes Handeln reflexartig verteidigt oder sich mit dem wohlfühlt, was er oder sie weiß, kann nur in Ausnahmefällen eine gute Lehrperson werden.